Seine Mängel selbst nicht zu (er)kennen – oder nicht wahrhaben zu wollen – bedeutet natürlich keineswegs, dass andere sie übersehen müssten. Etwas kann tatsächlich nicht gut genug sein. Andreas Irtel ist einer von vielen, die auf den äußersten Umlaufbahnen um die heilige Sphäre der Kunstwelt kreisen und sich ihr – in bestem Glauben – anbiedern. Doch nicht ernst- bzw. wahrgenommen zu werden, hängt nicht immer mit der Blindheit der anderen zusammen. Das Problem ist, dass Irtel zu jenen gehört, die malen können, ohne dafür kämpfen zu müssen ( und mit „können“ ist hier definitiv nicht die Fähigkeiten, sondern nur die Möglichkeit gemeint). Offenbar ohne wirtschaftliche Zwänge, kann er weitermachen, auch wenn der Erfolg ausbleibt. Doch zum einen bleibt seine Hingabe somit ungeprüft, zum anderen wird er nicht genötigt, die (durchaus wahrscheinliche) Möglichkeit ins Auge zu fassen, dass der Grund für den ausbleibenden Erfolg vielleicht wirklich die mangelnde Qualität seiner Arbeit sein mag.
(Dr. Klaus Turben in der Rubrik "Kunstzeit" in Bütten Aktuell)
Das Gegenteil von Selbstgefälligkeit ist Selbstmitleid. Diese nicht allzu sympathische Gefühlsqualität durchzieht wie ein roter Faden die Ausstellung „Winterreise“ des Künstlers Andreas Irtel. Der Maler ist 33 Jahre alt, das offenbare Vorbild für den Titel der Ausstellung, Franz Schubert, wurde nur 31, als er im November 1828 starb, Wilhelm Müller, der Dichter der Winterreise, starb wenige Tage vor seinem 33. Geburtstag. Beim Alter zum Zeitpunkt des Schaffens enden dann auch die Gemeinsamkeiten, auch wenn der Künstler das vielleicht nicht so sieht. Mag man Schubert zu Lebzeiten nicht die gebührende Würdigung geschenkt haben, die Qualität seiner Werke erhebt ihn über jeden Zweifel. Und selbst Müller, dieser eher durchschnittliche Poet, vermochte zumindest Schuberts Geist zu inspirieren. Irtel will sich offenbar auch in das Faszinosum des verkannten Genies hüllen und bemüht dafür die Toten – nur sehe ich beim besten Willen nicht, was hier zu verkennen wäre. Das verleiht seiner Selbstinszenierung etwas unerträglich anmaßendes. Natürlich leidet der Protagonist der Winterreise, er leidet bis zum Wahnsinn, ja, bis zum Tod. Aber sein Leiden ist ausweglos und absolut, er ist dieses Leiden. Irtel dagegen jammert ein bisschen, aber ihm fehlt das existentielle. Seine technisch zusammengehörigen Bilder wirken nichtsdestotrotz zusammenhanglos. Die „Farbschlieren“, das verbindende Element der Werke, erzielen eine nette Wirkung. Man kann sich das Gezeigte anschauen. Inhaltlich jedoch tut man gut daran, beim Dekorativen zu verharren. Doch leider tut der Künstler alles, damit das nicht gelingt - und als Ausweis seiner universalkünstlerischen Begabung hat er es sich nicht nehmen lassen, einen zugehörigen Text zu verfassen. Er hat ihn als Artbook drucken lassen und macht sich selbst und uns damit zum Opfer der „Erleichterungen“, die das Internet brachte, da jeder einfach und direkt veröffentlichen kann, was er will, ohne dass ein anderer zuvor einen Blick darauf würfe. Denn dann hätte vielleicht jemand gut zu – also abgeraten. So kommt, wer einen Blick wagt, in den zweifelhaften Genuss eines holprigen, gewollt wahnhaften Stückes Text, das an keiner Stelle weiß, was es will und den Leser zudem mit schriftstellerischen Unzulänglichkeiten quält. Spätestens dann verliert auch das Gesehene seine ästhetische Unschuld – und damit die einzige, ehrliche Qualität, die ich ausmachen konnte.
(Martin Wilkmann in der Sendung "Nur Kultur" auf Radio Gloria)
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Da will sich jemand um jeden Preis den Anschein von Bedeutung geben. Was immer er unter „Bedeutung „ verstehen mag. Die gar nicht so seltene Gabe, nachdenklich zu schauen, macht noch keinen intelligenten Menschen. Vielmehr birgt der bloße Versuch die Gefahr, sich erst recht zum Deppen zu machen. Ungefähr so, wie ein Eimer Farbe die Baufälligkeit eines Hauses noch unterstreichen mag. Der Verzicht auf jedes erklärende Wort öffnet nur scheinbar das Tor zu einer Welt grenzenloser Interpretation – also möglicher Bedeutung(stiefe). Es ist trotzdem beinahe traurig, diesem steten Mühen tatenlos zusehen zu müssen. Weil man doch als Dritter so leicht und klar sehen kann, was dem Betroffenen verborgen bleiben muss: dass er sich mehr und mehr einer Illusion hingibt und sie so sehr zu seinem Lebenselixier macht, dass ein Sichabwenden beinahe unweigerlichen Tod zu bedeuten scheint und schon deshalb unmöglich ist. Wie leer muss eine Welt sein, die man ganz alleine mit Bedeutung aufbläst. Einer Ausstellung den Titel „Winterreise“ zu geben, wirkt in diesem Sinne nach bildungsbürgerlichen Flatulenzen. Das Aufgeblähte wird abgelassen – oder es hofft zumindest, ein Ventil zu finden. Der Anus ist der Galerieraum und ja, es müffelt. Es ist der faulige Geruch der schlecht versuchten und darum aufgeflogenen Täuschung. Dass es da etwas zu entdecken gäbe, ist die Illusion. Die Tragik aber ist, dass der Künstler selbst offenbar das erste – und vielleicht einzige- Opfer dieser Täuschung ist. Man denke an Don Quichote, um in diesem beinahe verzweifelten Ringen zumindest etwas Edles zu entdecken. Man mag es bedauern oder vielleicht gar bewundern. Den offensichtlichen, selbstgewählten Autismus des Künstlers, der sich eben dem so Offensichtlichen völlig verschließt. Doch die Haltung des Künstlers allein macht diese Schau nicht sehenswert – und die wie auch immer zu verstehende Anspielung auf Schubert verleiht ihr keine Tiefe.
(Silke Gräfenberger, Leiterin der Akademie "l'art pour l'art" in Waidelsbrunn)